Neue Konzepte für einen erlebnisorientierten Sprachunterricht: Es geht auch online!

Wenn mich jemand noch vor einem Jahr gefragt hätte, was ich von online-Sprachunterricht halte, wäre meine Antwort sicherlich anders ausgefallen als heute. Ich hätte viele (gute!) Argumente gehabt, um die Wichtigkeit der persönlichen Interaktion, des Kontakts und des unmittelbaren Erlebens für das Erwerben und verinnerlichen einer Sprache zu betonen. Die "Pädagogik des Seins", die das Wesen der PDL Methode und die Grundlage meiner Sprachkurse ist, lebt von den kommunikativen Momenten, die in der Begegnung zwischen Menschen entstehen und sich entfalten. Schließlich wird mit dieser Methode von einer vorgegebenen Progression, wie z.B. ein Lehrbuch vorgibt, abgesehen und die Sprache entwickelt sich spontan je nach Ausdruckswunsch der Beteiligten. Diese Idee der Begegnung und das online-Medium schienen mir auf den ersten Blick unvereinbar und die schon bestehenden Möglichkeiten des E-Learnings im Bereich Sprachunterricht setzten eher auf die Wiederholung und Festigung gelernter Strukturen als auf den spontanen Ausdruck. Diese waren (und sind) eine nützliche Ergänzung aber kein Ersatz für einen lebendigen Sprachunterricht.

Die Zeit des Social Distancing hat mich eines besseren belehrt. Es ging nicht mehr um die Frage, ob auch für Sprachkurse die digitalen Medien ausprobiert werden sollen, sondern um die Entscheidung, weiter zu unterrichten oder nicht. Der Weg zu den online-Plattformen, die in kürzester Zeit sehr populär wurden und heute kaum noch wegzudenken sind, war nicht mehr weit. 

Zusammen mit einigen Kolleginnen, die ebenfalls PDL-Trainerinnen sind, fing ich an auszuprobieren und darüber nachzudenken, wie die Übertragung von unseren Präsenzformaten in eine virtuelle Umgebung umgesetzt werden und wirken konnte. Eines wurde mir schnell klar: Während für die reine Wissensvermittlung schon erprobte Mittel und Wege des E-Learnings vorhanden waren (Vorträge, Präsentationen, Lernvideos, online-Umfragen in Echtzeit), fehlte in den digitalen Veranstaltungen oft gänzlich das, was mit menschlicher Begegnung, Gestaltung von „Lernräumen“ und Gruppendynamik zu tun hat. Gleichzeitig konnte ich beobachten, wie der Schulunterricht meiner Kinder sich oft auf die Verteilung von Arbeitsblättern und Aufgaben auf elektronischem Weg beschränkte, während die Interaktion und der Kontakt mit der Klasse den Kindern überlassen wurde, die ihre eigenen WhatsApp Gruppen nach Fächern, Interessen oder Sympathien gründeten und anfangs regelmäßig telefonierten um sich (auch) über die schulischen Aufgaben auszutauschen.

In Anbetracht der ungewissen Dauer der Auflagen zum Social Distancing, erschien mir der Verlust von einem Großteil von dem, was Lernen in der Gruppe ausmacht und in einem Lernprozess zum persönlichen Wachstum beiträgt, nicht tragbar.

Diese Ansicht und die Lust, im digitalen Raum zu experimentieren, teilte ich mit vielen Gleichgesinnten, die im Bereich der Erwachsenenbildung oder Schule, nicht nur mit Sprachunterricht, tätig sind. So machten wir uns auf Entdeckungsreise und probierten erst einmal unter uns in unterschiedlichen Gruppenkonstellationen aus, wie wir uns auch virtuell nahe kommen und die Stimmung eines PDL-Kurses erzeugen konnten. Zusammen mit Aurora Floridia (Sprachenschule acontatto in Malcesine) fanden die ersten öffentlichen, kostenlosen Veranstaltungen als "Italienisch-Schnupperabende" für verschiedenen Niveaustufen statt und schon gleich waren wir von der großen Resonanz positiv überrascht. Die ersten Feedbacks zeigten uns dass, auch wenn natürlich der persönliche Kontakt nicht durch eine online Begegnung vollständig ersetzt werden kann und die Techniken und Interventionen nicht 1:1 ins Virtuelle übertragbar sind, das Erleben der Sprache in den meisten Fällen nicht zu kurz kam und PDL-online die Teilnehmenden überzeugte. Daraufhin planten wir die ersten Sommerkurse für Italienisch, die bald ausgebucht waren, und wir holten weitere Kolleginnen ins Boot. Mit Silvia Ricchiuto leitete meine ersten zwei online-Kurse für Anfänger und Anfänger mit Vorkenntnissen, die uns die Möglichkeit gaben, weitere Tools zu nutzen (dies vor allem dank der technischen Affinität von Silvia!) und an den Aktivitäten und Techniken weiter zu arbeiten und zu feilen.

Aber wie kann man sich einen kommunikativen, interaktiven Sprachunterricht vorstellen? Wie Umberto Eco sagte: "Wer erzählen will, muss sich eine Welt erschaffen. Die Worte kommen dann wie von selbst" (Zitat frei übersetzt). Mit dem Sprachunterricht mit der PDL Methode ist es ähnlich: Wir brauchen einen Rahmen, in dem Rollen agieren und dramaturgische Kräfte sich entfalten. Daraus entsteht der Ausdruckswunsch. Die Sprache dazu kommt dann, mit Hilfe des Trainers/der Trainerin, spontan. So entwickeln sich erst Monologe, dann kleine kommunikative Situationen und irgendwann ganze Geschichten, die so schön und bereichernd sind, unabhängig von ihrer Aufgabe, die Fremdsprache zu vermitteln. Hier bieten die digitalen Tools unendliche Möglichkeiten, mit Bildern zu arbeiten und sich von ihnen inspirieren zu lassen. So trafen wir uns mit einer online-Gruppe in einem Straßencafé in Italien und gaben unsere Bestellungen auf, um dann alle zusammen ein Aperitif zu trinken, ein anderes Mal saß eine kleine Gruppe in einem Bild von Van Gogh und unterhielt sich über die sommerliche, abendliche Stimmung und ihre Pläne für die Fortsetzung ihrer Reise.

In einer Zeit, in der wir von Urlaub nur träumen konnten, sind wir mit der Fantasie an vielen Orten gewesen und haben ein paar schöne Stunden zusammen verbracht. Das Lernen der Fremdsprache war fast nur ein Nebeneffekt!

Uns war schnell klar, dass wir die Online-Sprachkurse nicht mehr missen wollen, und dass diese neben den jetzt wieder möglichen Präsenzkursen in unser "Repertoire" als Sprachtrainer*innen aufgenommen werden.

Über die Sommermonate ist eine kleine Gruppe entstanden, die unter dem Namen "PDL is in the air" einige Sprachtrainer*innen vereint, die sich weiter mit dem Thema Online-Sprachunterricht mit PDL befasst und das Angebot auch um weitere Fremdsprachen erweitern wird. Die Termine für die ersten online-Italienischkurse im Herbst, angeboten von der Sprachenschule acontatto, stehen schon und ab Ende September geht es weiter... Seien Sie gespannt!